Wider den eigenen Bedenken

Zum spielerischen Überwinden von (scheinbaren) Grenzen bei den Respect Nights

Von Stefan Heissenberger (Projektleiter Respect Gaymes)

 

Ein persönlicher Kommentar. Mit der Integrationsfähigkeit des Fußballs ist es so eine Sache: Oft wird diese von Verbänden unhinterfragt behauptet und wirkt bei genauerem Hinsehen wie eine schöne Hülse ohne Inhalt. Dabei wird übersehen bzw. bewusst ignoriert, dass dem Fußball nicht nur einigende, sondern auch trennende Kräfte innewohnen. In manchen Vorhaben stecken zudem die besten Absichten, die sich in der Realität als Luftschlösser erweisen; erträumt von jenen, die mittlerweile herabwürdigend als „Gutmenschen“ bezeichnet werden. Ähnliche Bedenken hatte ich hinsichtlich folgendem Vorhabens bei den Respect Nights am 13. Mai 2017: Diese sind eine Kick-off-Veranstaltung zu den Respect Gaymes. In den letzten Jahren bestand hier das Programm aus Tischtennis, Bands, Tanz und einer Drag Ralley. Im Orgatreffen vorab mit dem Sportjugendzentrum Lychi, schlug ich vor, man könnte doch auch ein Fußballturnier organisieren. Hintergrund meines Ansinnens war es, dass ich in meiner Funktion als Projektleiter bei den am 1. Juli 2017 stattfindenden Respect Gaymes ohnehin ein Team, bestehend aus Geflüchteten, unterstützen wollte. Stichworte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie dem belastenden und mitunter drögen Alltag von Geflüchteten für einen Tag zu entfliehen. Bei den Respect Nights sollte dann ein Probelauf für dieses Vorhaben stattfinden. Über drei Ecken kam der Kontakt mit einer Ehrenamtlichen zustande, die eine Gruppe von vorwiegend afghanischen fußballbegeisternden Männern betreut. Ich so, sie so, wir so: Tolle Idee, lasst uns das gemeinsam angehen. D.h. zum Stammpublikum vom Lychi und vom queeren Jugendnetzwerk Lambda, sollen noch afghanischen Fußballer dazu kommen. Als „Sahnehäubchen“ haben sich noch kurz vor dem Event drei Iraner aus der queeren Geflüchtetenunterkunft angekündigt. LSTBI*, Geflüchtete und Jugendliche – dreifach Gutmenschjackpot. Selbst- und fremdschulterklopfklopf.

Um den Begegnungsaspekt zu fördern sollte es keine festen Teams geben, sondern ein „Schleifchenturnier“ stattfinden. D.h. für jedes Match werden die Teams neu zusammengelost und die Sieger erhalten ein Schleifchen. Allmählich machten sich Bedenken bei mir breit: Kann das funktionieren? Kann es funktionieren, dass man Staatsbürger*innen aus Deutschland, Afghanistan, Eritrea und dem Iran, Männer, Frauen, Genderfluids, Gendernonbinaries, Queers, Heteros, Schwule, Lesben, mit unterschiedlichen Bildungsniveaus, von Ehrgeizigen bis zur just-for-fun-Fraktion, von Vereinsspieler*innen bis zu Fast-Anfänger*innen, von 16- bis 45-Jährigen, in eine kleine Turnhalle packt und ein schönes Turnier daraus wird? Nicht immer. Aber bei den Respect Nights hat es funktioniert. Nach anfänglichen Irritationen über den Schleifchenmodus, dem Ausräumen von Missverständnissen hinsichtlich der Regelkunde – die auf unterschiedliche nationalen Gepflogenheiten gründete –, haben sich alle Beteiligten auf ein spielendes Miteinander eingeswingt, das ihnen zwei spaßige Stunden Fußball beschert hat.

Warum aber war dieses idealistisch angelegte Fußballturnier mit einer derart heterogenen Gruppe ein Erfolg? Zuallererst braucht es Idealismus, den Wunsch über und mit dem Fußball „etwas Gutes zu tun“. In diesem Fall war es die Absicht bei den Respect Nights einen Raum für jene zu schaffen, die in der klassisch heterosexuellen Erzählung des Fußballs nicht vorkommen und Geflüchteten eine Abwechslung zu ihrem nicht immer leichten Alltag zu ermöglichen. Dann brauchte es in diesem Fall eine Ehrenamtliche, die in einer unaufgeregten Weise ihren Schützlingen erklärt, worum es geht: Also um Fußball, Respekt gegenüber Lesben, Schwulen, … dem Spaß am Spiel und so Zeugs. Wenn sich dann die Spieler*innen – was man im Vorhinein ja nie weiß – auf das Angebot einlassen und man den eigenen Bedenken nicht allzu viel Raum gibt, dann, ja dann kann die integrative Kraft des Fußballs zum Tragen kommen.

Achja: Einen Ball, zwei Tore und einen Turnierleiter, der nur bedingt bei der Verteilung der Schleifchen durcheinander kommt, braucht es auch noch.