„Die Respect Gaymes haben viel Farbe in mein Leben gebracht“

Interview. Im Englischen gibt es für Heterosexuelle, die sich für LGBTI*-Rechte einsetzen, den Begriff Straight Ally. In diese Kategorie könnte auch mein Kollege Christian Rudolph eingeordnet werden. Er beschäftigt sich seit Jahren im LSVD-Projekt Soccer Sound, bei Fußballfans gegen Homophobie und als Turnierleiter bei den Respect Gaymes mit LGBTI*-Themen im Sport.

 

Plump gefragt: Warum engagierst du dich als „Hetero“ für LGBTI*-Personen im Fußball?
Für mich ist es eigentlich nichts Besonderes, ich setzte mich genauso gegen jegliche andere Formen von Diskriminierung ein. Ich habe mich schon immer gefragt, warum Menschen aus unserer Gesellschaft ausgeschlossen werden. Über den Sport bin ich mit vielen Menschen in Kontakt gekommen – Menschen die zwar eine  Leidenschaft teilen, aber auch sehr unterschiedlich sind. Schwul-lesbisches oder queeres Leben fand in meinem Sportumfeld aber nicht statt, bis ich zum ersten Mal von den Respect Gaymes gehört hatte. Meine ersten Respect Gaymes 2007 waren daher eine Art Schlüsselerlebnis für mich. Mir wurde klar, dass schwul-lesbisches Leben im Sport nahezu gar nicht stattfindet, zumindest nicht sichtbar. Darüber hatte ich mir vorher nie Gedanken gemacht. Bei dem Event habe ich gesehen, wie der Sport Menschen zusammenbringt, Grenzen überwindet und dabei behilflich sein kann, Vorurteile abzubauen. Die Respect Gaymes haben also viel Farbe in mein Leben gebracht und meinen Blickwinkel auf den Sport verändert.

 

Mein Eindruck ist, dass die persönliche und strukturelle Ausgrenzung von Schwulen im Männerfußball in den letzten Jahren abgenommen hat. Wie siehst du das?

Wir erleben seit einigen Jahren zumindest ein zunehmendes Bewusstsein für das Thema. Dafür verantwortlich sind vor allem Faninitiantiven, während Vereine und Verbände sich dem Thema oft noch verhalten annehmen und die  Medien noch immer auf das große Coming-out warten. Die Tabuisierung des Themas ist also nicht mehr ganz so groß wie noch vor sechs Jahren, aber es existieren natürlich nach wie vor Vorurteile, die es zu überwinden gilt. In den letzten Jahren leisten Fans da hervorragende Arbeit und vernetzen sich, um mit Choreografien, Themenabenden und anderen Aktionen auf bewusste und unbewusste Ausgrenzung von LGBTIQ* Menschen aufmerksam zu machen. Homophobe Banner sind beispielsweise leicht zu identifizieren, wohingegen bei abfälligen Sprüchen oft nicht gleich bewusst wird, dass damit vielleicht auch Personen aus dem direkten Umfeld ausgeschlossen werden, die nicht so offen über ihr Privatleben, ihre Liebe und ihr Verlangen sprechen können, wie es Heteros ganz selbstverständlich tun. Die sexuelle Identität ist ja kein Merkmal, dass man jemanden ansieht. Es wird ja auch erst wichtig, wenn sich zwei Menschen interessant finden. Aber es fehlt häufig noch das Verständnis dafür, dass es auch darum geht, wie Menschen zusammenleben, ihr Leben gestalten und woran sie dabei wie teilhaben können.

 

Siehst Du hier noch viel Arbeit vor euch liegen oder glaubst Du, dass das Meiste hier bereits auf den Weg gebracht wurde? Nein, wir müssen weiter am Ball bleiben, die richtigen Diskussionen führen und uns Konflikten stellen. Dafür ist es auch wichtig, Haltung zu bewahren und sich für andere einzusetzen. Sichtbarkeit ist da ein Schlüsselwort für mich. Ich glaube z.B., dass es gut ist, dass es in fast jedem Bundesligastadion einen Schwul-Lesbischen Fanclub gibt. Dadurch haben sich die Fankurven sehr verändert die Vereinsfunktionär*innen haben jetzt direkte Ansprechpartner*innen. Es ist auch wichtig, dass sich Vereins- und Verbandsverantwortliche sich ihrer Verantwortung und gesellschaftlichen Rolle bewusst werden, diese annehmen und sich zu dem Thema positionieren. Die Vereine und Verbände sehe ich hier im Besonderen auch gegenüber ihrer Mitglieder und Angestellten in der Pflicht.

 

Ist Fußball für dich politisch bzw. hältst du ihn für politischer als andere Sportarten?
Dort, wo Sport organisiert betrieben wird, wie dies in Vereinen geschieht, ist er auch immer politisch. Jeder Verein hat einen Vereinszweck, eine Satzung und Mitglieder, die über diese entscheiden. Auch wenn es bei Sportvereinen in erster Linie um das gemeinsame Sporttreiben geht, vertritt jeder Verein auch seine Mitglieder, Werte und Ziele – nach innen wie nach außen. Das ist für mich politisch. Worüber wir hier sprechen, nämlich die Möglichkeit der Teilhabe aller Menschen ungeachtet ihrer Unterschiede, sollte für mich eine Selbstverständlichkeit sein. Und nein, der Fußball ist nicht per se politischer als andere Sportarten. Er genießt nur eben das vergleichsweise meiste Interesse, wodurch ihm natürlich auch eine größere Bedeutung und mehr Verantwortung zukommt.