Vor 40 Jahren gründete sich die Homosexuelle Aktion Westberlin

Heute vor 40 Jahren – am 15. August 1971 – gründete sich die Homosexuelle Aktion Westberlin (HAW). Zwei Jahre zuvor – am 1. September 1969 – war eine wesentliche Entschärfung des § 175 Strafgesetzbuch, welcher sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, erfolgt. Homosexuelle waren aber nach wie vor weit davon entfernt, von der Gesellschaft akzeptiert zu werden.

Die Initialzündung für die Gründung der HAW löste der Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ aus. Zu den etwa 40 – ausschließlich männlichen – Gründungsmitgliedern zählten im wesentlichen Studierende, welche sich der sozialistischen Linken zugehörig fühlten. Nach Zerschlagung der ersten homosexuellen Emanzipationsbewegung durch die Nationalsozialisten war nun die Zeit reif, dass Homosexuelle sich organisierten und offensiv für ihre Persönlichkeitsrechte eintraten.

Ein Schwerpunkt der Aktivitäten der HAW war der Kampf für die ersatzlose Streichung des § 175 Strafgesetzbuch. Diese Thematik wurde in den Kontext eines allgemeinen Kampfes für die Überwindung von Patriarchat und Kapitalismus gestellt. Am 1. Mai 1972 gab es zum ersten Mal einen „schwulen Block“ bei der Mai-Demonstration der Gewerkschaften, im gleichen Jahr wurde zum ersten „Pfingsttreffen“ eingeladen. Zu dem „Pfingsttreffen“ im Jahr 1973 kamen bereits mehr als fünfhundert Menschen aus der Bundesrepublik und dem Ausland in Berlin zusammen und demonstrierten für ihre Rechte – aus Angst vor Berufsverboten zum Teil unter Kapuzen getarnt auf denen „Lehrer“, „Richter“ oder „Pfarrer“ stand.

Im Frühjahr 1972 konstituierte sich innerhalb der HAW eine Frauengruppe, aus der u.a. das Lesben-Frühlings-Treffen hervorging.

Ende der 1970ziger Jahre verlor die HAW zusehends an Einfluss. Interne Meinungsverschiedenheiten machten Entscheidungen so gut wie unmöglich. Aus Protest gegenüber dem radikalen Teil der HAW traten viele pragmatisch orientierte Aktivisten aus der HAW aus und gingen zu der damals als bürgerlich verschrienen „AHA“ (Allgemeine Homosexuelle Arbeitsgemeinschaft). Der Rest der HAW zerfiel in Grüppchen, Freundeskreise und Fraktionen, die kaum mehr zur Zusammenarbeit fähig waren.

Mit der Deutschen Einheit bot sich auch für die Lesben- und Schwulenbewegung eine historische Chance. Der 1990 in Leipzig gegründete heutige Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) brachte neuen Wind. Großes Aufsehen erregte die „Aktion Standesamt“ im Jahr 1992. Vor allem in Berlin gingen Lesben und Schwule auf die Standesämter und bestellten Aufgebote, um auf das Eheverbot für Lesben und Schwule aufmerksam zu machen. Für große Teile der HAW eine zu bürgerliche Forderung.

Die HAW fungierte noch bis Mitte der 1990er Jahre als Organisatorin des Schwulenzentrums SchwuZ in der Kulmer Straße, später Hasenheide, heute am Mehringdamm. Aus finanziellen Gründen wurde der Verein HAW e.V. am 25. August 1999 aus dem Vereinsregister gelöscht.

www.berlin.lsvd.de