LSVD

Unser Programm

Zehn Schritte zu gleichen Rechten, Vielfalt und Respekt.

Das sind die 10 Säulen unseres Programms:

  1. Gleiche Rechte durchsetzen
  2. Das Recht auf Respekt verwirklichen – Homophobie bekämpfen
  3. Respekt schaffen in Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Kultur
  4. Das Recht auf Familiengründung verwirklichen
  5. Das Recht auf Selbstbestimmung für Transgender, trans- und intersexuelle Menschen durchsetzen
  6. Vielfalt und Akzeptanz fördern
  7. Eine aufgeklärte und solidarische Gesundheitspolitik durchsetzen
  8. Verantwortung für die Vergangenheit wahrnehmen
  9. Gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt in Europa befördern
  10. Die Achtung der Menschenrechte weltweit voranbringen

Programm des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD)
Beschluss des LSVD Verbandstages 2010

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Gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt

I. Grundsätze der LSVD-Arbeit

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Dieses großartige Versprechen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte muss sich auch für Lesben und Schwule erfüllen, ebenso für Bisexuelle, Transgender, trans- und intersexuelle Menschen. Für dieses Ziel arbeitet der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD).

Lesben und Schwule in Deutschland haben viel an persönlicher und gesellschaftlicher Freiheit erreicht. Immer mehr leben selbstbewusst und offen: in der Familie, im Verein und allen denkbaren Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Auch die rechtliche Situation von Lesben und Schwulen und ihren Lebensgemeinschaften hat sich deutlich verbessert.
Dennoch ist die Gleichstellung noch nicht vollständig verwirklicht, ist Diskriminierung noch nicht überwunden. Homophobie, die feindselige Einstellung gegenüber Lesben und Schwulen sowie gegen ihr Auftreten in der Öffentlichkeit, ist in Teilen der Gesellschaft weiterhin verbreitet. Sie äußert sich in Ausgrenzung, Benachteiligung und Anfeindungen bis hin zu brutaler Gewalt.

Lesbischen und schwulen Jugendlichen wird das Coming-out oft noch schwer gemacht. Viele Institutionen und Positionen sind offen schwul oder lesbisch Lebenden faktisch verschlossen. Nicht wenige fühlen sich immer noch genötigt, ihre sexuelle Identität zu verbergen und ein Doppelleben mit heterosexueller Fassade zu führen, insbesondere am Arbeitsplatz. Die Erfahrung jahrhundertelanger Unterdrückung ist auch heute noch wirkungsmächtig.

Der LSVD als Bürgerrechtsverband

Die Bürgerrechtspolitik des LSVD will die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Lesben und Schwule ihre persönlichen Lebensentwürfe selbstbestimmt entwickeln können – frei von rechtlichen und anderen Benachteiligungen, frei von Anpassungsdruck an überkommene Normen, frei von Anfeindungen, Diskriminierungen und Homophobie. Praktizierte Homophobie, jede Form von Diskriminierung und insbesondere Bedrohung durch Gewalt, ist ein Angriff auf die Freiheit. Eine demokratische Gesellschaft muss für alle das Recht durchsetzen, jederzeit und an jedem Ort ohne Angst anders sein zu können.

Deshalb fordern wir gleiche Rechte. Sie sind Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Dazu gehört die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare und Familien mit der Ehe ebenso wie ein wirksamer gesetzlicher Schutz vor Diskriminierung. Gleiche Rechte müssen im Alltag als gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft verwirklicht werden können. Für Lesben und Schwule darf es keine Sperrbezirke geben – weder auf dem Fußballplatz noch im Elternbeirat, weder in der Autowerkstatt noch in der Chefetage.

Der LSVD steht für eine Politik der Vielfalt. In unserer Gesellschaft wird eine Vielzahl von Lebensweisen und Lebensentwürfen gelebt. Lesbische und schwule Emanzipation rüttelt mit an traditionellen Geschlechterrollen und an normativen Setzungen, wie anständiges Leben angeblich auszusehen hat. Wir erheben Einspruch gegen eine Weltsicht, die allein Heterosexualität für selbstverständlich und natürlich hält, sie als Standard nimmt, an dem alles gemessen wird. Wir wehren uns gegen die „heterosexuelle Vorannahme“, die in jeder Alltagssituation unhinterfragt voraussetzt, dass das Gegenüber heterosexuell ist. Der LSVD wirbt für ein Klima, das Vielfalt als Bereicherung erkennt und wertschätzt. Wir wollen keine Sonderrechte, sondern Gleichberechtigung. Das gilt nicht zuletzt für Regenbogenfamilien und insbesondere für die Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Familien aufwachsen. Wir wollen, dass lesbische und schwule Lebensweisen als selbstverständlicher Teil gesellschaftlicher Normalität respektiert und anerkannt werden.

Respekt heißt die Zauberformel für gutes gesellschaftliches Zusammenleben. Verachtung und Unterdrückung von Homosexualität ist kein Naturgesetz, sondern ein unseliger Traditionsrest aus vordemokratischer Zeit. Homophobie hält sich hartnäckig, ist aber eine gesellschaftliche Krankheit, die überwunden werden kann. Heilmittel sind Engagement, Aufklärung und Dialog. Denn Respekt setzt Wissen vom Anderen und über das Andere voraus. Für das Thema Homosexualität darf es daher keine Tabuzonen geben – nicht in der Schule, nicht in den Medien, nicht im Sport. Wir meinen: Liebe verdient Respekt. Wir wissen aber auch: Anerkennung bekommt man nicht geschenkt, sondern muss man sich verdienen. Mit unserer Arbeit verschaffen wir Lesben und Schwulen Respekt in der Gesellschaft, in Politik und Institutionen. Unsere Stimme wird gehört: im Bundestag, vom Bundesverfassungsgericht, in den Medien, bei Parteien, Gewerkschaften und Verbänden.

Gemeinsam in Vielfalt

Unser Verband hat sich im Februar 1990 in Leipzig als Schwulenverband (SVD) gegründet, entstanden aus der oppositionellen Bürgerrechtsbewegung der DDR und mit dem Anspruch, schwule Bürgerrechtspolitik für Deutschland zu formulieren. Zum Programm erhob der SVD Emanzipation, Partizipation und Integration – verstanden nicht als Anpassung, sondern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diesen Zielen sind und bleiben wir verpflichtet. Auf Initiative vieler engagierter Lesben wandelte sich der Schwulenverband 1999 zum Lesben- und Schwulenverband (LSVD). Seitdem arbeiten im LSVD Lesben und Schwule erfolgreich zusammen. Gemeinsam kämpfen wir für gleiche Rechte und gesellschaftliche Akzeptanz. Gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt dienen auch als Leitbild innerhalb des Verbandes. Über diesen Dreiklang definieren wir zudem den Platz des LSVD in der vielgestaltigen lesbischen und schwulen Gemeinschaft. Auch Lesben und Schwule haben sehr unterschiedliche Orientierungen und Lebensweisen. Wir wollen den Stolz auf diese Vielfalt unter den Schwulen und Lesben fördern. Der LSVD hat bewusst den Namen Lesben- und Schwulenverband in Deutschland gewählt. Denn in Deutschland leben nicht nur Deutsche. Im LSVD engagieren sich Schwule und Lesben aus vielen Ländern, aus verschiedenen Kulturen und unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Menschen mit und ohne Behinderung sind im LSVD aktiv. Jung und Alt mischen in unserem Verband mit. Wir engagieren uns solidarisch für die Rechte von Transgendern, Bisexuellen, trans- und intersexuellen Menschen. Als Bürgerrechtsverband sind wir anderen gesellschaftlichen Emanzipations- und Bürgerrechtsbewegungen eng verbunden.

Menschenrechte sind unteilbar und grenzenlos

Unser Engagement macht nicht an den Grenzen Deutschlands halt. Gemeinsam mit Partnerorganisationen streiten wir innerhalb der Europäischen Union und innerhalb des Europarats für ein Europa der Gleichberechtigung und Vielfalt. Auch auf unserem Kontinent tritt man Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern nicht selten noch mit Hass entgegen. Sehr positiv schlägt aber zu Buche, dass sich die Europäische Union zu einem wichtigen Impulsgeber für gleiche Rechte und gegen Diskriminierung entwickelt hat. Der LSVD setzt auf eine verstärkte europäische Integration.

In vielen Regionen dieser Welt werden die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, trans- und intersexuellen Menschen mit Füßen getreten. In zahlreichen Staaten ist gleichgeschlechtliche Liebe strafbar, in einigen davon droht sogar die Todesstrafe. Vielerorts sind staatliche Behörden an der Unterdrückung beteiligt, verweigern jeglichen Schutz vor Anfeindungen und Gewalt. Erst seit wenigen Jahren ist es gelungen, diese Themen im internationalen Menschenrechtsdiskurs zu verankern. 2006 haben namhafte internationale Menschenrechtsexpertinnen und -experten die „Yogyakarta-Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität“ entwickelt. Diese Prinzipien, verfasst auf einer Konferenz in der indonesischen Stadt Yogyakarta, bilden die erste systematische Gesamtschau auf die Menschenrechtsgewährleistung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, trans- und intersexuelle Menschen. Wir treten dafür ein, dass Bund, Länder und Kommunen die Yogyakarta-Prinzipien zur offiziellen Handlungsgrundlage ihrer Politik erklären und die Bundesrepublik sich für ihre weltweite Geltung einsetzt.

2006 erhielt der LSVD offiziellen Beraterstatus bei den Vereinten Nationen. Durch die Gründung der „Hirschfeld-Eddy-Stiftung – Stiftung für die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender“ hat der LSVD 2007 ein Instrument geschaffen, um die Achtung der Menschenrechte voranzubringen, international Menschenrechtsarbeit zu unterstützen, Menschenrechtsverteidigern aktiv zu helfen sowie Aufklärung und den Abbau von Vorurteilen zu fördern.

Viel erreicht, viel zu tun

Unser Verband hat viel erkämpft: die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, die endgültige Streichung des § 175 StGB, Verbesserungen für Transsexuelle, die Errichtung eines nationalen Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen – um nur wenige Beispiele zu nennen. Inhaltlich eng verknüpft mit der politischen Arbeit ist der LSVD zudem eine Anlaufstelle für Information, Rat und Tat. Der LSVD leistet Unterstützung und Hilfe bei allen Problemen, die Lesben und Schwulen aus Vorurteilen, gesellschaftlicher oder rechtlicher Diskriminierung, Ausgrenzung, Anfeindung, Gewalt und Rassismus erwachsen. Der LSVD will sich aber nicht auf die Arbeit als Reparaturbetrieb für die Beschädigungen beschränken, die Diskriminierung und Ausgrenzung den Menschen zufügen. Als Bürgerrechtsverband ist der LSVD angetreten, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern. Alle Menschen, die an gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt glauben, ob lesbisch, schwul, heterosexuell, bisexuell, transgender, transsexuell oder intersexuell, laden wir sehr herzlich ein, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen.

 

II. Zehn Schritte zu gleichen Rechten, Vielfalt und Respekt

1. Gleiche Rechte durchsetzen

Gleiche Rechte sind notwendige Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes Leben. Der Staat kann so lange nicht mit voller Glaubwürdigkeit gegen Homophobie eintreten, ehe er Schwule und Lesben nicht rechtlich gleichstellt.

Gleichstellung in der Verfassung verankern

Das Grundgesetz konnte Lesben und Schwulen in der Vergangenheit keinen ausreichenden Schutz vor Benachteiligung gewährleisten. Im Katalog der speziellen Diskriminierungsverbote im Grundgesetz fehlt bislang das Merkmal „sexuelle Identität“. Diese fehlende Berücksichtigung wirkt sich bis heute negativ auf die Lebenssituation von Lesben und Schwulen aus. Wir wollen daher eine Ergänzung des Gleichheitsartikels im Grundgesetz um das Merkmal „sexuelle Identität“. Fundamentale Normen des Zusammenlebens wie das Diskriminierungsverbot müssen in der Verfassung für alle Menschen transparent und leicht zugänglich sein. In einem erweiterten Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz soll es daher in Zukunft auch heißen: Niemand darf wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden. In einigen Bundesländern gibt es bereits ein solches Diskriminierungsverbot in der jeweiligen Landesverfassung. Wir fordern die anderen Bundesländer auf, diesem Beispiel zu folgen.

Der besondere Schutz von Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes muss für alle familiären Gemeinschaften gelten, unabhängig von der Lebensform. Familie wird heute in unterschiedlichsten Formen gelebt. Es muss klargestellt werden: Alle selbstgewählten Lebensweisen haben Anspruch auf den Schutz vor Diskriminierung.

Gleiche Rechte für Lebensgemeinschaften durchsetzen und die Ehe öffnen

2001 haben wir die Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft erkämpft. Damit wurde der Rechtlosigkeit lesbischer und schwuler Paare ein Ende gesetzt. Das neue Rechtsinstitut hat die Bürgerrechte von Lesben und Schwulen deutlich gestärkt, ebenso die gesellschaftliche Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen. In den vergangenen Jahren ist es gelungen, immer mehr Rechtsbereiche zusätzlich in die Gleichstellung einzubeziehen. Gleichstand ist aber noch nicht erreicht. Dabei gibt es keinen sachlichen Grund, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften schlechter zu behandeln als andere Paare. Lesbische und schwule Paare müssen die gleichen Möglichkeiten zur rechtlichen Ausgestaltung ihrer Lebensform erhalten wie heterosexuelle.

Wir wollen die Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe vollenden. Das ist für uns die nächste wichtige Etappe. Unser Ziel ist aber die Öffnung der Ehe. Nur so wird zum Ausdruck gebracht, dass für homosexuelle Bürgerinnen und Bürger real wie symbolisch kein minderes Recht gelten darf. Immer mehr Staaten gehen aus diesem Grund über das Modell der Eingetragenen Partnerschaft als gesondertem Rechtsinstitut hinaus und öffnen die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Dazu gehören Spanien, Belgien, Norwegen, die Niederlande, Kanada, Südafrika und Schweden. Dem soll Deutschland folgen. Denn alles andere als Gleichstellung ist und bleibt Diskriminierung.

Viele Paare – homo- wie heterosexuelle – wollen keine Ehe eingehen. Auch für die Partnerinnen und Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften soll gelten: Sie müssen als Angehörige anerkannt werden. Im Mietrecht konnte dies schon durchgesetzt werden. Weitere Bereiche wie das Zeugnisverweigerungsrecht müssen folgen, ebenso eine Berücksichtigung im Erbrecht und Erbschaftssteuerrecht. Die einseitige staatliche Bevorzugung des Ehemodells entspricht längst nicht mehr der Lebenswirklichkeit vieler Menschen. Nicht der Trauschein, sondern die Betreuung von Kindern oder hilfsbedürftigen Menschen soll Anlass einer besonderen staatlichen Familienförderung sein.

Den rechtlichen Schutz vor Diskriminierung ausbauen

Diskriminierung im Alltag ist noch nicht überwunden. Viele Lesben und Schwule berichten von Anfeindungen, insbesondere von Benachteiligungen in der Arbeitswelt, aber beispielsweise auch über Ausgrenzung auf dem Mietwohnungsmarkt. Eine demokratische Gesellschaft muss allen Menschen Chancengleichheit und Teilhabegerechtigkeit gewährleisten, nicht nur auf dem Papier, sondern in der realen Lebenswelt. Ein Baustein dazu ist ein effektiver rechtlicher Schutz vor Benachteiligung. 2006 ist es in Zusammenarbeit mit Frauen-, Migranten- und Behindertenorganisationen gelungen, mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein Bundesgesetz gegen Diskriminierung in der Arbeitswelt und im allgemeinen Wirtschaftsleben durchzusetzen. Damit ist ein Anfang gemacht. Das AGG enthält aber zu viele Ausnahmeregelungen und Schlupflöcher. Der LSVD setzt sich dafür ein, das AGG auszubauen und wirksamer zu gestalten. Dazu gehört ein echtes Verbandsklagerecht für Lesben- und Schwulenorganisationen und andere Antidiskriminierungsverbände.

Die Ausnahmeregelungen im Arbeitsrecht für Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen müssen massiv zurückgefahren werden. Es ist einer freien Gesellschaft unwürdig, dass das Eingehen einer Lebenspartnerschaft eine lesbische Sekretärin oder einen schwulen Krankenpfleger den Arbeitsplatz kosten kann, wenn sie bei einem katholischen Träger angestellt sind. Für Beschäftigte der Religionsgemeinschaften und der von diesen betriebenen Einrichtungen muss außerhalb des Bereichs der Verkündigung das allgemeine Arbeitsrecht Geltung erlangen.

Auftragsvergaben aus Mitteln der öffentlichen Hand und die Förderung von Institutionen müssen daran geknüpft werden, dass Antidiskriminierungsgrundsätze beachtet werden. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) muss eine aktive Rolle beim Kampf gegen Ausgrenzung und Benachteiligung einnehmen, insbesondere öffentlichkeitswirksam Diskriminierungen entgegentreten und vorbeugen.

2. Das Recht auf Respekt verwirklichen – Homophobie bekämpfen

Das Recht auf Gleichheit und Nichtdiskriminierung muss sich auch im Alltag verwirklichen. Lesben und Schwule haben Anspruch auf Respekt: in der Nachbarschaft, in Schule und Beruf, im Sportverein, in der Kirchengemeinde.

Verschiedenheit fördern

Immer mehr Firmen praktizieren „Diversity Management“. Sie haben erkannt, dass sich die Arbeitszufriedenheit und damit auch die Produktivität steigert, wenn eine vielfältige und bunte Belegschaft am Werk ist, die in ihrer Verschiedenheit wertgeschätzt wird – Menschen aus verschiedenen Generationen, Frauen und Männer aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlichen sexuellen Identitäten. Diversity Management schafft ein Klima der Offenheit. Auch die Attraktivität für Kundinnen und Kunden kann durch eine solche Unternehmenskultur gesteigert werden. Wir setzen uns dafür ein, dass Diversity Management in der deutschen Wirtschaft größere Verbreitung findet, auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, ebenso in der öffentlichen Verwaltung, bei politischen Institutionen, in der Schule sowie in Wissenschaft und Forschung.

Auch gesellschaftspolitisch kann Diversity Management ein Modell sein. Dazu gehört, dass öffentliche Verwaltungen in allen relevanten Bereichen die Belange von Lesben und Schwulen mitdenken und berücksichtigen. Bund, Länder und Kommunen haben die Aufgabe, Diskriminierungen gegenüber Lesben und Schwulen aktiv zu begegnen und offensiv für Vielfalt einzutreten. Für Selbsthilfe und Beratung müssen die notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden, ebenso wie für Aufklärungs- und Akzeptanzarbeit.

Gesellschaftliche Sichtbarkeit stärken

Lesben und Schwule gibt es überall. Oft sind sie aber nicht sichtbar. Studien zufolge wagt es nur die Hälfte der Lesben und Schwulen, ihre Arbeitskolleginnen und – kollegen einzuweihen. Nicht wenige Bereiche sind offen lebenden Lesben und Schwulen faktisch noch immer versperrt. In manchen Berufssparten, in der Fußballbundesliga oder in den oberen Etagen der Wirtschaft sind sie nicht zu finden. Wir wollen die Sichtbarkeit fördern. Niemand soll und darf zum Outing gezwungen werden. Aber wir wollen ein Klima schaffen, das allen ein offenes Leben möglich macht.

Männer und Frauen sind gleichberechtigt, sagt das Grundgesetz. Im öffentlichen Leben ebenso wie in der Arbeitswelt ist dieser Programmsatz noch nicht voll verwirklicht. Als Frauen gehören Lesben zur bis heute benachteiligten Minderheit. Viele Lesben haben in der Frauenbewegung erheblich dazu beigetragen, dass Frauen öffentlich wahrgenommen und anerkannt werden, dass Gewalt gegen Frauen als gesellschaftliches Problem definiert wurde, dass Frauen ein selbstbestimmtes Verhältnis zur weiblichen Sexualität entwickelten, und blieben doch als Lesben oft unsichtbar. In der Öffentlichkeit sowie in den Medien wird das Engagement von Lesben bislang sehr unzureichend wahrgenommen. Der LSVD engagiert sich für eine deutlich größere Sichtbarkeit von Lesben und für Respekt gegenüber lesbischen Lebensweisen. Wir stärken lesbische Frauen allen Alters in ihrem Engagement für eine Politik der Gleichberechtigung und der selbstbewussten weiblichen Homosexualität.

Homophobie gesamtgesellschaftlich angehen

Praktizierte Homophobie ist das Gegenteil von Respekt. Der Kampf gegen Homophobie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Alle Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen sind aufgerufen, sich daran zu beteiligen. Dazu braucht es eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit den beiden Hauptquellen der Homophobie: dem Festhalten an traditionellen Geschlechterrollen und dem Befolgen rigider Formen von Religiosität. Wir sehen den LSVD in einer Wächterfunktion in der gesellschaftlichen Diskussion. Wer Lesben und Schwule öffentlich verächtlich macht, wer hetzt und Hass sät, dem geben wir kräftig Kontra. Der LSVD fordert einen nationalen Aktionsplan gegen Homophobie: Bildung und Jugendarbeit müssen den Problemkreis Homophobie viel stärker in den Blick nehmen. Notwendig ist mehr Engagement gegen antihomosexuelle Gewalt und die Auseinandersetzung mit Homophobie-Brennpunkten. Ein Brennpunkt ist die extreme Rechte. Die Programme zur Bekämpfung von Rechtsextremismus müssen so ausgestaltet und ausgestattet werden, dass sie auch den Aspekt Homophobie mit bearbeiten. Ein weiterer Problemkreis ist der Sport. Im Fußball sind homophobe Sprechchöre immer noch Alltag. Dort werden negative Einstellungen geprägt, die weit über das Stadion hinaus wirksam sind. Wir brauchen ein nachhaltiges Programm gegen Homophobie im Sport. Auch der Homophobie in einzelnen Musikszenen und sich machistisch gebenden Jugendkulturen muss offensiv entgegengetreten werden.

Wichtig ist die zielgruppenspezifische Ansprache von Bevölkerungsteilen, in denen sich homophobe Tendenzen verdichten. Viele junge Menschen, die in einem Umfeld sozialer Marginalisierung und kultureller, religiöser und ideologischer Abschottung aufwachsen, lassen an ihrer Verachtung für Homosexuelle keinen Zweifel. Als besonders problematisch erweist sich dabei die Kombination aus patriarchalischen Familienstrukturen und rigider Religiosität. Hier muss eine an Pluralismus und den Grundrechten orientierte Bildungs- und Gesellschaftspolitik mit attraktiven Gegenangeboten ansetzen. Wir setzen uns dafür ein, dass es eine wesentliche Aufgabe der Jugendarbeit, der Schule sowie der Integrationspolitik wird, Respekt gegenüber Lesben und Schwulen zu fördern und Vorurteile abzubauen.

Antihomosexuelle Gewalt bekämpfen

Massivste Ausdrucksform von Homophobie ist Hasskriminalität. Allein der Anblick eines schwulen oder lesbischen Paares kann Gewalttäter motivieren, brutal zuzuschlagen. Aus solchen Taten spricht blanker Hass. Die Täter sehen sich als Vollstrecker eines von ihnen phantasierten Mehrheitswillens. Homosexuelle gelten ihnen als minderwertig und vogelfrei. Es gibt No-go-Areas – Stadtteile, Straßenbahnlinien, Städte und Regionen, in denen es physisch gefährlich ist, als homosexuell erkannt zu werden. Wenn vor jedem verliebten Blick, vor einer Umarmung, vor einem Kuss im öffentlichen Raum zuerst die Umgebung gecheckt werden muss, ist das eine massive Einschränkung von Freiheit. Lesbische und schwule Jugendliche sind nicht selten von Gewalt im Elternhaus oder durch Gleichaltrige bedroht. Schwule Männer haben ein deutlich höheres Risiko, Opfer von gewalttätigen Attacken zu werden als der männliche Bevölkerungsdurchschnitt. Auch Lesben berichten von häufigen Anpöbeleien und Bedrohungen, sehr oft verbunden mit sexuellen Belästigungen.

Das Schweigen in weiten Teilen der Gesellschaft über antihomosexuelle Hasskriminalität muss gebrochen werden. Erforderlich ist ein Bund-Länder-Programm gegen homophobe Gewalt, das neben kriminologischer Forschung und Rechtstatsachenforschung über den Umgang der Gerichte mit antihomosexueller Gewalt auch die Entwicklung zielgenauer Konzepte zu Prävention, zur Aus- und Fortbildung von Polizei und Justiz, sowie zur ausreichenden Unterstützung von Opferhilfe-Einrichtungen zum Gegenstand hat. Länder und Kommunen müssen die Arbeit schwuler und lesbischer Anti-Gewalt-Projekte angemessen fördern. Die Polizei muss bei der Bekämpfung homophober Gewalt verstärkt mit Schwulen- und Lesbenorganisationen zusammenarbeiten. Innerhalb der Polizeibehörden sollen dazu Ansprechpersonen bestellt werden.

Verantwortung der Religionsgemeinschaften einfordern

Einige evangelische Landeskirchen haben sich in den letzten Jahren in Erklärungen von Verfolgungen homosexuell liebender Menschen durch die Kirche distanziert und eine „erhebliche Mitschuld“ bei der Ausgrenzung von Lesben und Schwulen eingeräumt. Die Katholische Kirche, evangelikale Gruppen und islamische Verbände in Deutschland lehnen dagegen gelebte Homosexualität als schwere Sünde ab. Es ist freilich nicht von der Religionsfreiheit gedeckt, Lesben und Schwulen die weltlichen Grundrechte abzusprechen. Unabhängig davon, wie Religionsgemeinschaften Homosexualität theologisch bewerten, sind sie aufgefordert, ihren gesellschaftlichen Beitrag zur Bekämpfung von Diskriminierung und homophober Gewalt zu leisten. Es ist unverantwortlich, wenn Religionsführer zu konkreten Fällen von Diskriminierung und Gewalt gegenüber Lesben und Schwulen konsequent schweigen.

Wir appellieren an die Religionsgemeinschaften, sich für homosexuell liebende Menschen zu öffnen, schwulen und lesbischen Paaren, die dies wünschen, eine Segnung ihrer Lebensgemeinschaft anzubieten. Als Arbeitgeber sind Religionsgemeinschaften und die ihnen zugehörigen Einrichtungen aufgerufen, lesbische Frauen und schwule Männer ohne jede Vorbehalte oder Auflagen hinsichtlich ihrer sexuellen Identität zu beschäftigen. Dies gilt auch für die Ordination.

3. Respekt schaffen in Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Kultur

Aufklärung tut auch heute noch Not: über schwule und lesbische Lebensweisen, über die Geschichte der Lesben und Schwulen, über Diskriminierung und Menschenrechte. Das ist viel Stoff für Schule und Hochschule, für Kultur und Medien.

Respekt und Vielfalt in Schule und Bildungsarbeit vermitteln

Das Thema Homosexualität gehört zu den „heißen Eisen“ in der Schule, nicht nur in der Sexualerziehung. Lehrer und Lehrerinnen zeigen sich hier oft uninformiert und unsicher. Häufig fällt das Thema einfach unter den Tisch. Dabei kommt der Schule eine besondere Aufgabe dabei zu, antihomosexuellen Einstellungen zu begegnen und die Vielfalt der Lebensweisen zu vermitteln. Für lesbische und schwule Jugendliche im Prozess der Selbstfindung und des Coming-outs ist es wichtig, dass gleichgeschlechtliche Lebensweisen in der Schule nicht tabuisiert werden. Die Schule wird von ihnen oft als ein homophober Ort wahrgenommen. Sowohl in Unterrichtsinhalten, Lernmitteln als auch im Schulalltag muss daher deutlich werden: Lesben und Schwule sind Teil der gesellschaftlichen Vielfalt, sie sind gleichwertig und gleichberechtigt. Alle, die beruflich mit der Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen befasst sind, müssen in der Ausbildung wie durch Fortbildungsangebote befähigt werden, diese Botschaft zu vermitteln.

Die Information über gleichgeschlechtliche Lebensweisen in der Schule darf nicht allein im Kontext der Biologie oder Gesundheitserziehung geschehen. Auch im Deutsch-, Politik-, Sozialkunde- oder im Geschichtsunterricht müssen Informationen über lesbische und schwule Lebensweisen sowie über die Diskriminierung und über die Emanzipationsgeschichte von Lesben und Schwulen vermittelt werden. Aufklärungsarbeit durch schwul-lesbische Schulprojekte zeigt gute Erfolge. Sie muss gefördert und in allen Bundesländern verankert werden, denn Dialog und Begegnung mit Lesben und Schwulen baut nachweisbar Ressentiments ab. Auch die Träger der Erwachsenenbildung sind aufgefordert, die Themenkomplexe gleichgeschlechtliche Sexualität, gleichgeschlechtliche Lebensweisen und die gesellschaftliche Situation von Lesben und Schwulen in ihrer Arbeit zu berücksichtigen. Informationen über Homosexualität, die Vielfalt sexueller Identitäten und unterschiedlicher Lebensweisen sind zudem in die Lehrpläne der Orientierungs- und Integrationskurse für Migrantinnen und Migranten aufzunehmen.

Die richtigen Fragen in Forschung und Lehre angehen

In den Hochschulen müssen Fragen der Emanzipation und Gleichstellung von Lesben und Schwulen in Forschung und Lehre angemessen berücksichtigt werden, ebenso die Problemkreise Homophobie und Diskriminierung. Das betrifft viele Fakultäten, z.B. Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaften, Geschichtswissenschaft, Theologie, Psychologie, Medizin und insbesondere auch alle Sparten der Pädagogik. Die Vermittlung von Informationen über gleichgeschlechtliche Lebensweisen muss ein Bestandteil der Studiengänge werden. Die entsprechenden Studienordnungen sind dahingehend zu ändern und zu ergänzen.

Immer noch versuchen manche Forscher und Forscherinnen aus den Bereichen Biologie, Medizin, Genetik oder Psychologie eine Ursache für die Entstehung der Homosexualität zu finden. Es ist absurd, komplexe Verhaltensmuster wie die menschliche Liebesfähigkeit oder die sexuelle Identität monokausal auf genetisch- biologische Ursachen zurückführen zu wollen. Wir halten Ursachenforschung über Homosexualität im Ansatz für falsch, denn in der Fragestellung schwingt immer die Vorstellung mit, dass Heterosexualität die Norm und Homosexualität das Unnormale sei. Der LSVD hält weder die Existenz von Homo- noch von Bi-, Trans-, oder Heterosexualität für erklärungsbedürftig. Viel spannender ist die Frage, wie Homophobie entsteht und warum sie sich hartnäckig über Jahrhunderte hält. Wir fordern eine umfassende interdisziplinäre Erforschung der Abwehr, Feindlichkeit und Gewalt gegen Schwule und Lesben.

Respekt in Kultur und Medien fördern

Lesbisches und schwules Kulturschaffen hat eine wichtige Funktion bei der Formulierung lesbischer und schwuler Identitäten. Ebenso wichtig ist es für die Vermittlung schwul-lesbischer Thematiken in die Mehrheitsgesellschaft. Lesbische und schwule Belange müssen bei der Förderung von Kulturprojekten durch Bund, Länder und Gemeinden angemessen berücksichtigt werden.

Die Freiheit der Kunst ist ein hohes Gut. Nicht selten musste sie gegen Zensurversuche von Sittenwächtern verteidigt werden, die homosexuelle Themen als unmoralisch, pornographisch und jugendverderblich verteufeln. Traditionell galten und gelten Kulturschaffende als besonders offen gegenüber Lesben und Schwulen. Mittlerweile gibt es aber in einzelnen Musikszenen, insbesondere in den Sparten Hip-Hop und Dancehall, Interpreten, die systematisch Hass gegen Homosexuelle verbreiten und zur Gewalt bis hin zum Mord aufrufen. Damit wird eine Grenze überschritten. Aufrufe zur Gewalt sind nicht mehr von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt. Der LSVD macht mobil gegen solche Hassmusik: in erster Linie durch Überzeugungsarbeit gegenüber Veranstaltern, Fans und Musikhandel, durch Protest und Öffentlichkeitsarbeit, notfalls aber auch durch Strafanzeigen und Indizierungsanträge. Wir fordern Musikindustrie, Veranstalter und Kulturpolitik auf, Verantwortung zu zeigen. Hasssänger sollen keine Bühne erhalten.

In der Medienberichterstattung über lesbisches und schwules Leben hat sich vieles zum Besseren gewandelt. Während ein Teil der Medien seriös und angemessen berichtet, hält ein anderer Teil aber an reißerischer und voyeuristischer Aufmachung fest oder schweigt lesben- und schwulenpolitische Fragen überwiegend tot. Gesellschaftspolitisch wollen wir darauf hinwirken, dass in den Medien ausgewogen und selbstverständlich über lesbisches und schwules Leben berichtet wird. Bei den öffentlich-rechtlichen Medien müssen Lesben und Schwule endlich Sitz und Stimme in den Rundfunkräten erhalten.

Das Internet ist für viele Schwule und Lesben zum wichtigen Ort der Information und Kommunikation geworden. Als Bürgerrechtsverband setzt sich der LSVD für ein freies Internet ein. Es darf keinerlei Zensur geben. Strafrechtlich relevante Inhalte haben im Netz jedoch nichts zu suchen (löschen statt sperren). Auch Vorratsdatenspeicherung lehnen wir ab. Für das Bewegen im Internet, insbesondere in sozialen Netzwerken, muss ein hoher Datenschutzstandard gewährleistet sein.

4. Das Recht auf Familiengründung verwirklichen

Jeder Mensch hat unabhängig von seiner sexuellen Identität das Recht, eine Familie zu gründen. Es gibt die unterschiedlichsten Formen von Familien. Keine Familie darf wegen der sexuellen Identität eines ihrer Mitglieder diskriminiert werden. Tausende Kinder wachsen derzeit in Deutschland in Regenbogenfamilien auf, bei ihren lesbischen Müttern und schwulen Vätern. Langjährige Forschung belegt, dass diese Kinder sich in jeder Hinsicht gut entwickeln. Viele dieser Kinder stammen aus vorangegangenen heterosexuellen Beziehungen vor dem Coming-out. Bewusste Familienplanung gehört heute aber auch zum Lebensentwurf vieler Lesben und Schwuler. Mit viel Kreativität und häufig gegen große Widerstände verwirklichen sie ihren Kinderwunsch: Kinder werden in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften geboren und finden hier als Adoptiv- oder Pflegekinder ein neues Zuhause. Eine moderne Familienpolitik muss alle Frauen und Männer unterstützen, die Kindern in ihrem Leben einen Platz schenken und ihnen helfen wollen, zu wachsen und sich gut zu entwickeln.

Das Adoptionsrecht öffnen

Der LSVD fordert das gemeinschaftliche Adoptionsrecht. Es gibt keinen sachlichen Grund, gleichgeschlechtlichen Paaren in Eingetragener Partnerschaft das gemeinschaftliche Adoptionsrecht länger zu verwehren. Das Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft bietet Kindern den gleichen gesicherten Rechtsrahmen, wie ihn der Gesetzgeber für gemeinschaftliche Adoptionen durch Eheleute verlangt. Dass Lesben oder Schwule als Einzelpersonen Kinder adoptieren können, war rechtlich immer schon zulässig. Seit 2005 ist in der Eingetragenen Lebenspartnerschaft die „Stiefkindadoption“ leiblicher Kinder der Partnerin oder des Partners möglich. Aber auch einzeln adoptierten Kindern, die in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft aufwachsen, sollte der Staat die Chance auf zwei Elternteile und damit doppelte Absicherung durch Unterhalts- und Erbansprüche nicht verweigern. Die Adoption durch beide Elternteile dient dem Kindeswohl. Natürlich hat niemand den Anspruch auf Adoption eines Kindes, aber alle haben das Recht, dass ihre Eignung vorurteilsfrei geprüft wird. Ein pauschaler Ausschluss wegen der sexuellen Identität ist ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Familiengründung unterstützen

Die Bundesärztekammer verbietet in ihren „Richtlinien zur assistierten Reproduktion“ jegliche ärztliche Unterstützung bei einer künstlichen Befruchtung, wenn die betreffenden Frauen in einer lesbischen Partnerschaft leben. Das geschieht aber nicht aufgrund von ethischen Bedenken, sondern um die Ärzte vor möglichen Unterhaltsansprüchen der Kinder zu bewahren. Denn der Gesetzgeber misst im Abstammungsrecht mit zweierlei Maß: Wird ein Kind in einer Ehe durch künstliche Befruchtung mit dem Samen eines Dritten gezeugt, gilt es rechtlich als Kind beider Eheleute. Nicht so bei der Eingetragenen Lebenspartnerschaft. Der LSVD setzt sich dafür ein, in einer Lebenspartnerschaft zur Welt kommende Kinder im Abstammungsrecht genauso zu behandeln wie in einer Ehe geborene. Auch die bisherige Beschränkung von Dienstleistungen im Bereich Insemination auf verheiratete Paare muss aufgehoben werden. Das Recht auf Familiengründung muss für alle gelten.

Das Familienrecht erweitern

Zunehmend sind Schwule als Samenspender oder auch als soziale Väter an der Entstehung lesbischer oder lesbisch-schwuler Familien beteiligt, ebenso an der Verantwortung für Erziehung und Wohlergehen der Kinder. Es existiert also bereits eine Vielzahl möglicher Familienformen mit Wunschkindern im lesbischen und schwulen Bereich. Die Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung in Patchworkfamilien und neuen Familienformen muss anerkannt und unterstützt werden. Der LSVD setzt sich dafür ein, die neuen Formen von Familiengründung und elterlicher Verantwortung stärker im Recht zu berücksichtigen.

Diskriminierung von Regenbogenfamilien beenden

Alle Familien müssen dem Staat gleich viel wert sein. Es darf nicht sein, dass Kinder wegen ideologischer Vorbehalte gegenüber der Lebensweise ihrer Eltern finanziell und rechtlich schlechter gestellt sind. Die Benachteiligung von Regenbogenfamilien muss beendet werden. Sie müssen familien-, steuer- und sozialrechtlich gleichgestellt werden, ebenso bei sämtlichen Familientarifen.

Regenbogenfamilien sind Teil der sich ausdifferenzierenden Familienlandschaft. Sie sind keine Exoten, sondern gehören zur gesellschaftlichen Normalität. Noch immer tragen aber die vorherrschenden Familienbilder in Gesellschaft, Medien, Familienpolitik, Bildung und Wissenschaft der Existenz von Regenbogenfamilien durchweg nicht angemessen Rechnung. Das wollen wir ändern. Kinder aus Regenbogenfamilien dürfen nicht in einen Außenseiterstatus gedrängt werden. Sie müssen ihre Familienkonstellation im Lesebuch ebenso wiederfinden können wie im Kinderkanal.

5. Das Recht auf Selbstbestimmung für Transgender, trans- und intersexuelle Menschen durchsetzen

Selbstbestimmtes lesbisches und schwules Leben bedeutet in der Regel auch einen Ausbruch aus traditionellen Geschlechterrollen. Hier treffen sich Lesben und Schwule biographisch oft mit Transgendern, trans- und intersexuellen Menschen, die für ihr Recht auf Selbstbestimmung kämpfen. Der LSVD unterstützt diesen Kampf nachdrücklich. Es geht um die Verwirklichung elementarer Menschenrechte wie körperliche Unversehrtheit, die Achtung des Privatlebens und die persönliche Handlungsfreiheit.

Der LSVD solidarisiert sich mit Transgendern, trans- und intersexuellen Menschen im Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Die Themen Transgender, Trans- und Intersexualität sind durchgängig in die Antidiskriminierungspolitik und die Arbeit für Respekt einzubeziehen, ebenso in alle gesellschaftspolitischen Maßnahmen insbesondere in den Bereichen Bildung, Integration, Kultur, Jugend- und Seniorenarbeit.

Das Transsexuellenrecht umfassend reformieren

Das Transsexuellengesetz setzt Menschen, die ihre Vornamen oder die Geschlechtszugehörigkeit verändern wollen, immer noch demütigenden und langwierigen bürokratischen Verfahren aus. Transgender und transsexuelle Menschen müssen das Recht haben, ihre Lebensweise selbst zu bestimmen, bei der Ausgestaltung ihrer Geschlechtsidentität wie auch bei ihrer Partnerwahl. Wir setzen uns daher für eine grundlegende Reform des Transsexuellenrechts ein. Leitbild muss die persönliche Freiheit sein, nicht eine antiquierte Ordnungsvorstellung über Geschlechtszugehörigkeit. Die tatsächliche Vielfalt der Identitäten muss akzeptiert werden. Insbesondere darf die Personenstandsänderung nicht mehr an die menschenverachtende Voraussetzung einer „dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit“ geknüpft sein. Ebenso soll sie nicht mehr von der operativen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts abhängig gemacht werden. Entwürdigende Prozeduren gehören ebenfalls abgeschafft, darunter der Zwang, zwei gerichtlich bestellte Begutachtungen über sich ergehen lassen zu müssen.

Der LSVD fordert Psychologie und Medizin, die ärztlichen Standesvertretungen und alle im Gesundheitswesen Tätigen auf, das Selbstbestimmungsrecht von Transgendern und transsexuellen Menschen zu respektieren. Transgender ist keine Krankheit. Es ist vielmehr eine Variante des Geschlechtsempfindens, für die medizinische Hilfestellungen notwendig sein können, um sie würdig leben zu können. Transgender müssen das Recht haben, über ihren Körper selbst zu bestimmen. Hinsichtlich Anwendung und Verfügbarkeit medizinischer Hilfen darf kein Druck auf die Betroffenen ausgeübt werden. Umgekehrt aber müssen sämtliche geeigneten medizinischen Maßnahmen allen Menschen zur Verfügung stehen, die diese benötigen. Die oft langwierigen Verfahren bei den Krankenkassen zur Kostenübernahme für geschlechtsanpassende Operationen müssen vereinfacht und beschleunigt werden.

Menschenrechte von Intersexuellen schützen

Die Welt ist nicht ausschließlich zweigeschlechtlich organisiert. Intersexuelle – zwischengeschlechtliche, mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen geborene Menschen – werden dennoch zumeist in ein Korsett vorgeblicher Eindeutigkeit gezwängt. Bei intersexuellen Menschen finden sich sowohl weibliche als auch männliche körperlich-geschlechtliche Merkmale. Die meisten von ihnen werden schon von frühestem Kindesalter an irreversiblen medikamentösen und chirurgischen Eingriffen unterzogen, ohne dass dies medizinisch notwendig wäre. Kleinkinder werden an ihren zwischengeschlechtlichen Genitalien operiert und einem normierten Geschlecht zugeordnet. Die meisten Opfer dieser Zwangsbehandlungen tragen massive psychische und physische Schäden davon, unter denen sie ein Leben lang leiden. Oft werden intersexuelle Menschen in ein Geschlecht gedrängt, das ihnen nicht entspricht; eine selbstbestimmte Entwicklung wird ihnen unmöglich gemacht. Es handelt sich um schwere Menschenrechtsverstöße. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde wird verletzt.

Medizinische Eingriffe, seien sie chirurgisch, medikamentös oder hormonell, dürfen ausschließlich aufgrund der informierten Einwilligung der betroffenen intersexuellen Menschen erfolgen. Wir setzen uns für die Schaffung verbindlicher „Standards of Care“ ein, die unter Einbeziehung der betroffenen Menschen und von Antidiskriminierungsverbänden erstellt werden müssen. Notwendig sind umfassende und vorurteilsfreie Informationen für Eltern intersexueller Kinder. Das Thema Intersexualität muss in die Ausbildung medizinischer und sozialer Berufe Eingang finden. Für Menschen, die menschenrechtswidrigen Zwangsbehandlungen unterworfen wurden, fordern wir Entschädigung und angemessene gesundheitliche Versorgung. Intersexuelle Menschen haben als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger ein Recht auf freie Entfaltung und Entwicklung. Es gibt keinen sachlichen Grund, warum Menschen nach deutschem Recht zwangsweise entweder männlich oder weiblich sein müssen. Intersexuelle Menschen müssen einen angemessenen Platz in der Rechtsordnung erhalten.

6. Vielfalt und Akzeptanz fördern

Die Welt der Lesben und Schwulen ist vielfältig. Schwule und Lesben gestalten ihre Lebensstile unterschiedlich: ungebunden, monogam, in Beziehungen, mit wechselnden Partnerinnen und Partnern, als Single. Immer mehr Lesben und Schwule entscheiden sich heute auch nach ihrem Coming-out, Eltern werden zu wollen. Für alle selbstgewählten Lebensweisen fordern wir gesellschaftliche Akzeptanz.

Wie andere Menschen auch, stellen bestimmte Lebensphasen Lesben und Schwule vor besondere Herausforderungen, insbesondere die Identitätsfindung in der Jugendzeit und die Auseinandersetzung mit Alter und Altern. Auch bestimmte Lebenslagen erfordern spezielle Antworten. So haben Lesben und Schwule mit Migrationshintergrund oft besondere Probleme zu bewältigen. Menschen mit Behinderungen kämpfen um Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe.

Lesbische und schwule Jugendliche stärken

Viele junge Lesben und Schwule melden sich heute selbstbewusst zu Wort und erkämpfen sich ihren Platz in der Gesellschaft. Aber immer noch ist das Coming-out für viele junge Menschen ein schwieriger Prozess. Erhebungen zufolge haben homosexuelle Jugendliche ein viermal höheres Suizidrisiko als heterosexuelle. Das zeigt, welchem Druck sich ein Teil der lesbischen und schwulen Jugendlichen immer noch ausgesetzt sieht – von Seiten des Elternhauses, der Familie oder in der Schule. Auch eine strenge religiöse Erziehung kann zu schweren inneren Konflikten führen. Lesbische und schwule Jugendliche dürfen von der Gesellschaft nicht allein gelassen werden. Junge Menschen im Coming-out müssen Unterstützung erhalten, die sie stärkt und auf den Weg der Persönlichkeitsfindung wertschätzend begleitet. Jugendhilfe und Jugendarbeit müssen sich dem Problem Homophobie viel stärker stellen. Schwul-lesbische Jugendarbeit muss stärker anerkannt und unter Einbeziehung der Jugendlichen weiterentwickelt werden. Das darf nicht nur in Großstädten geschehen. Auch Jugendliche, die außerhalb der Ballungsräume leben, brauchen Zugang zu informierter und vorurteilsfreier Beratung und Unterstützung. Notwendig sind auch zielgruppenspezifische Programme z.B. für junge Lesben und Schwule mit Migrationshintergrund.

Für ein besseres Leben von Lesben und Schwulen im Alter arbeiten

Ältere und alte Menschen sollen selbstverständlich und offen lesbisch oder schwul leben können. Nötig sind bessere Rahmenbedingungen, die ein selbstbestimmtes Leben im Alter unterstützen. Es geht darum, Angebote für Lesben und Schwule in der dritten und vierten Lebensphase, insbesondere im Hinblick auf Wohn- und Betreuungsformen, weiter zu entwickeln und institutionell zu verankern. Wir wollen die Selbsthilfepotenziale stärken und Netzwerkstrukturen aufbauen. Es braucht Angebote, die sowohl den Gemeinsamkeiten wie den Unterschieden zwischen Lesben und Schwulen Rechnung tragen. Wir stehen für eine intergenerative Politik und wollen den Dialog zwischen älteren und jüngeren Lesben und Schwulen fördern. Es geht um Begegnung, Kommunikationsangebote und darum, Altersdiskriminierung entgegenzuwirken.

Die traditionelle Altenarbeit ignoriert die Bedürfnisse alter schwuler Männer und lesbischer Frauen noch weitgehend. Weder im Freizeit- noch im Bildungsbereich gibt es zielgruppenorientierte Angebote. Es ist bedrückend, wenn sich Lesben und Schwule in Altenheimen und Altenpflegeeinrichtungen genötigt sehen, aus Sorge vor Diskriminierung ihre sexuelle Identität zu verbergen. Der LSVD setzt sich dafür ein, dass lesbische Frauen und schwule Männer auch hier ihr Leben selbstbestimmt und frei von Diskriminierung führen können. Notwendig sind Konzepte für die kultursensible Versorgung, Pflege und Begleitung von lesbischen Frauen und schwulen Männern, eingebettet in die bestehenden institutionellen Systeme. Informationen über gleichgeschlechtliche Lebensweisen müssen in die Aus- und Weiterbildung sowie in die Organisations- und Personalentwicklung in der Altenarbeit und Altenpflege integriert werden.

Wissenschaft, Wohlfahrtsverbände, Verwaltung und Politik sind aufgefordert anzuerkennen, das ältere und alte Menschen verschiedene sexuellen Identitäten, Biographien und Lebensweisen haben. Die Interessen und Bedürfnisse von älteren Lesben und Schwulen sind in allen Bereichen der Seniorenpolitik und der Altenhilfe zu berücksichtigen.

Lesben und Schwule mit Migrationshintergrund stärken und integrieren

In Deutschland leben Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Oft wird nicht wahrgenommen, dass darunter selbstverständlich auch viele Lesben und Schwule sind. Lesben und Schwule mit Migrationshintergrund erfahren häufig mehrfache Diskriminierung. Innerhalb der deutschen Mehrheitsgesellschaft erleben sie Rassismus und ungleiche Chancen, mitunter auch in der schwul-lesbischen Gemeinschaft. Je nachdem, ob im Herkunftsland repressive Haltungen gegen Schwule und Lesben vorherrschen, erfahren sie im Durchschnitt in ihrer Familie und Herkunftsgruppe häufig stärkere Ablehnung, als dies Lesben und Schwule in der Mehrheitsgesellschaft heute noch widerfährt. Denn einige Migrationscommunities wurden vom gesellschaftlichen Wandel in Bezug auf Lesben und Schwule vergleichsweise wenig berührt. Es wurde lange auch keine gezielte Ansprache entwickelt, um Migrantinnen und Migranten am gesellschaftlichen Prozess der Enttabuisierung von Homosexualität teilhaben zu lassen und sie dabei mitzunehmen. Das muss sich deutlich ändern. Hierzu sind gezielte Aufklärungsmaßnahmen notwendig. Sämtliche Programme zur Integration sind auch darauf auszurichten, dass sie Demokratie, Vielfalt und individuelle Freiheitsrechte stärken. In diesem Rahmen sind auch ausdrücklich Respekt gegenüber Lesben und Schwulen zu fördern. Integrationsmaßnahmen müssen darauf abgeklopft werden, ob sie diesen Aspekt berücksichtigen, und müssen gegebenenfalls entsprechend angereichert werden.

Der LSVD sucht und führt den Dialog mit Migrantenorganisationen. Jede Migrationscommunity hat auch Lesben und Schwule in ihren Reihen und sollte sich schon aus Verantwortung ihnen gegenüber dem Thema stellen. Notwendig sind Informations- und Beratungsangebote, insbesondere in der Eltern-, Familien- und Jugendarbeit. Auch um lesbische Migrantinnen und schwule Migranten beim Führen eines selbstbestimmten Lebens zu unterstützen, bedarf es zielgruppengerechter Beratungs- und Hilfsangebote. Diese und die Selbstorganisation von Lesben und Schwulen mit Migrationshintergrund müssen angemessen öffentlich gefördert werden.

Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen durchsetzen

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Gleichberechtigung und volle gesellschaftliche Teilhabe. Mit dem am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen UN- Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist dafür eine wichtige menschenrechtliche Grundlage geschaffen. Auch für Lesben und Schwule mit Behinderungen muss diese UN-Konvention volle Geltung im Alltag erlangen. Sie haben Anspruch auf Achtung ihrer sexuellen Identität sowie das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und die frei gewählte Lebensweise. Das muss in allen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen gelten, ist aber längst noch nicht überall gewährleistet. Für lesbische und schwule Menschen mit Behinderungen ist es daher besonders wichtig, dass sie möglichst in den eigenen vier Wänden oder in anderen selbstbestimmten Wohnformen wohnen können und dafür im Bedarfsfall ausreichende Unterstützung erhalten.

Der LSVD setzt sich für die volle gesellschaftliche Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung in den schwul-lesbischen Lebenswelten ein. Das Ziel ist die Schaffung von Barrierefreiheit auch in allen Bereichen des schwul-lesbischen Lebens. Barrierefrei sind gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Hier ist noch eine Menge zu tun – bei vielen schwulen und lesbischen Einrichtungen, bei Veranstaltungen, bei Webangeboten für Lesben und Schwule.

7. Eine aufgeklärte und solidarische Gesundheitspolitik durchsetzen

Jeder Mensch hat das Recht auf den bestmöglichen Zustand seiner körperlichen und geistigen Gesundheit. Eine aufgeklärte und solidarische Gesundheitspolitik muss die Belange von Schwulen und Lesben berücksichtigen sowie Diskriminierungen entgegentreten.

Gesundheit fördern durch Abbau von Vorurteilen

Medizin und Psychiatrie haben Homosexualität in der Vergangenheit als Krankheit eingestuft. Diese Denkmuster aus dem 19. Jahrhundert sind bis heute in Teilen der Gesellschaft virulent. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 1992 mit der Streichung der Homosexualität aus dem internationalen Krankheitenregister ein klares Signal gesetzt. Wir fordern Psychologie und Medizin sowie alle im Gesundheitswesen tätigen Menschen, Organisationen und Institutionen auf, Lesben und Schwulen vorurteilsfrei gegenüberzutreten. Falls Schwule und Lesben im Gesundheitsbereich negative Reaktionen befürchten müssen, wenn sie ihre sexuelle Identität, ihre Lebensweise und sexuelle Praxis ansprechen, dann kann dies die gesundheitliche Versorgung beeinträchtigen. Die Ärzteschaft wird aufgefordert, ihre Beratungskompetenz für schwule Patienten und lesbische Patientinnen durch Fortbildung zu verbessern. In der Aus- und Fortbildung im Gesundheitswesen sind generell die Themenbereiche gleichgeschlechtliche Sexualität sowie Feindseligkeit gegen gleichgeschlechtliche Lebensweisen und ihre Auswirkungen stärker zu berücksichtigen. Auch in den psychologischen Berufen darf es weder bei der Ausbildung noch bei der Zulassung Diskriminierungen oder gar Berufsverbote für Lesben und Schwule geben.

Homosexualitätsbekämpfung ächten Versuche zur eugenischen oder hormonellen pränatalen Manipulation zur „Prävention“ von Homosexualität sind mit den ethischen Grundsätzen ärztlichen Handelns nicht vereinbar, ebenso Heterosexualisierungstherapien. Insbesondere in evangelikalen Zusammenhängen werden so genannte „Konversions“- oder „Reparations“-Therapien angeboten, die auf eine Änderung von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten oder der homosexuellen Identität abzielen. Die Behörden sind aufgefordert, öffentlich breit vor solchen die psychische Gesundheit gefährdenden Pseudotherapien zu warnen und insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass Jugendliche nicht in solche Behandlungen gedrängt werden.

AIDS-Prävention stärken und modernisieren

Ein Schwerpunkt der AIDS-Prävention muss weiter darauf liegen, Männer, die Sex mit Männern haben, über HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten zielgruppengerecht zu informieren und zu Safer Sex zu motivieren. Die AIDS- Prävention unter schwulen Männern hat große Erfolge gebracht und ist auch heute noch erfolgreich. Jede Zeit und jede Generation muss aber immer wieder neu für Prävention gewonnen werden. Präventionsbotschaften und Vermittlungsmethoden müssen auf die veränderte Wahrnehmung von HIV und AIDS ständig überprüft und aktualisiert werden. Die Prävention muss die ganze Vielfalt schwuler Lebensformen und Begegnungen im Auge haben, auch schwule Paarbeziehungen. Sie muss passgenaue und realistische Wege für verantwortliches Verhalten aufzeigen. Prävention ist dann erfolgreich, wenn sie klare Botschaften hat, wenn offen und explizit über Sexualpraktiken, damit verbundene Risiken und Risikominderungsstrategien gesprochen werden kann, in gedruckten Informationsmaterialien ebenso wie im Internet. Hier darf es keine staatliche Zensur geben. Jugendschutz darf nicht gegen Prävention ausgespielt werden. Schließlich geht es nicht zuletzt um Jugendliche, die für die Prävention gewonnen werden sollen. Nur diejenigen, die sich über die Risiken beim Sex im Klaren sind, können für sich und ihre Partner Verantwortung übernehmen.

Der LSVD setzt sich für eine Verstärkung und bessere finanzielle Ausstattung der Präventionsarbeit ein. Mittel, die heute in der Prävention gespart werden, müssen morgen, um ein Vielfaches erhöht, für die Versorgung von HIV-Patienten ausgegeben werden. Private und gesetzliche Krankenkassen sollten in die Finanzierung der HIV-Prävention eingebunden werden. Auch die Pharmaindustrie ist aufgefordert, sich hier zu engagieren.

AIDS-Prävention heißt auch, schwule Männer in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken, ihre sozialen Aktivitäten zu fördern, ihre rechtliche und gesellschaftliche Gleichberechtigung durchzusetzen. Je selbstbewusster Menschen zu ihrer sexuellen Identität stehen können und je besser sie in schwule Netzwerke integriert sind, desto reflektierter setzen sie sich mit den Präventionsanforderungen auseinander.

Die soziale Situation von Menschen mit HIV und AIDS verbessern

Menschen mit HIV, in besonderem Maße aber schon an AIDS erkrankte Menschen, haben aufgrund der verbesserten Therapien heute eine deutlich gestiegene Lebenserwartung. Durch diese erfreuliche Entwicklung verschärft sich aber das Problem der mittel- bzw. langfristigen sozialen Absicherung. Insbesondere im Bereich der Alterssicherung stehen HIV-positive Menschen vor dem Problem, dass es ihnen nicht möglich ist, neben der staatlichen Alterssicherung oder der für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konzipierten Riester-Rente eine private Alterssicherung zu erreichen, da private Versicherungen den Abschluss von Verträgen mit HIV-positiven Menschen ablehnen. Die Erwerbsunfähigkeitsrenten sind aber an die gleiche Entwicklungsformel wie Altersrenten gebunden. Damit wird eine Abwärtsspirale in die Verarmung im Alter eingeleitet. Der LSVD fordert eine Sozialpolitik, die den besonderen Lebensumständen der Menschen mit HIV und AIDS gerecht wird und ihnen lebenswürdige Renten im Alter ermöglicht.

Auch die Sozialhilfe und das ALG II decken den spezifischen Bedarf nur unzureichend ab. Hier setzen wir uns für die Anerkennung anderer Mehrbedarfe ein, um flexibel auf die gesundheitliche Situation von Menschen mit HIV und AIDS reagieren zu können. Auch bei den Kostenträgern von Rehabilitationsleistungen ist angesichts der stark verlängerten Lebenserwartung von Menschen mit HIV/AIDS ein Umdenken erforderlich.

8. Verantwortung für die Vergangenheit wahrnehmen

Im nationalsozialistischen Deutschland fand eine Homosexuellenverfolgung ohne gleichen in der Geschichte statt. Die Nationalsozialisten haben die Lebenswelten von Schwulen und Lesben zerschlagen. Zehntausende schwuler Männer wurden nach § 175 Reichstrafgesetzbuch wegen „Unzucht“ zu Gefängnis oder Zuchthaus verurteilt, mehrere tausend Schwule wegen ihrer Homosexualität in Konzentrationslager verschleppt. Die meisten überlebten die Lager nicht.

Die Erinnerung an das Unrecht wachhalten – Lehren für heute ziehen

Lange Zeit blieben die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus aus der Gedenkkultur ausgeschlossen – in der Bundesrepublik wie in der DDR. Homosexuelle NS-Opfer wurden nicht als Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes anerkannt. Auch in der DDR wurde ihnen die Anerkennung versagt. Nach langen Anstrengungen haben wir durchgesetzt, dass die Bundesrepublik Deutschland 2008 in Berlin ein nationales Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen errichtete. Dieses Denkmal ist kein Schlussstein, sondern ein Ansporn, dass die geschichtlich-politische Aufarbeitung der nationalsozialistischen Homosexuellenverfolgung weiter gehen muss. Für das von den Nazis konfiszierte Vermögen der schwulen und lesbischen Bürgerrechtsorganisationen der Weimarer Republik gab es nie eine Entschädigung. Im Sinne eines kollektiven Ausgleichs soll Deutschland daher Stiftungsmittel bereitstellen, die der Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte dienen sowie Bürger- und Menschenrechtsarbeit im In- und Ausland fördern sollen.

Unterdrückung und Verfolgung nach 1945 aufarbeiten

Auch die Geschichte der Homosexuellenunterdrückung und -verfolgung in der Bundesrepublik und der DDR bedarf der Aufarbeitung. Schwule und lesbische Lebensweisen blieben nach 1945 gesellschaftlich geächtet. Die Organisationen oder Organisationsbemühungen von Schwulen und Lesben wurden bekämpft. Das Grundrecht auf Versammlungs- und Koalitionsfreiheit wurde ihnen ebenso bestritten wie das Recht auf freie Meinungsäußerung. Schwul-lesbische Publikationen fielen Zensur und Verboten zum Opfer. Auch nach Ende des Nationalsozialismus hat staatliche Unterdrückungspolitik weitere Generationen Homosexueller um ihr Lebensglück betrogen. In der DDR taten sich bei dieser Unterdrückungspolitik insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit hervor, in der Bundesrepublik vor allem Polizei und Justiz.

Die strafrechtliche Verfolgung ging nach 1945 weiter: Der 1935 verschärfte § 175 StGB blieb in der Bundesrepublik bis 1969 unverändert in der Nazi-Fassung in Kraft. Zehntausende Männer wurden im demokratischen Staat aufgrund von NS- Gesetzgebung wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen ins Gefängnis geschickt. Endgültig gestrichen wurde der § 175 erst 1994. Auch die DDR hat Homosexualität unter Erwachsenen bis 1968 nicht vollständig entkriminalisiert. Bis 1989 galten dort vergleichbar zur Bundesrepublik unterschiedliche strafrechtliche Schutzaltersgrenzen. Die Opfer der menschenrechtswidrigen Strafverfolgung in West und Ost müssen rehabilitiert und entschädigt werden. Der Gesetzgeber muss sich seiner Verantwortung dafür stellen, dass er die menschenrechtswidrige strafrechtliche Verfolgung und Ungleichbehandlung Homosexueller jahrzehntelang geschehen ließ.

9. Gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt in Europa befördern

Die fortschreitende europäische Einigung hat die Lebenssituation von Lesben und Schwulen in Europa erheblich verbessert. Die Europäische Union (EU) hat starke Impulse gesetzt für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung. Ohne die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU wäre es vermutlich nicht gelungen, in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen. Die mit dem Lissabon-Vertrag am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene EU-Grundrechtecharta enthält ein Verbot der Diskriminierung wegen der „sexuellen Ausrichtung“. Das Europäische Parlament hat mehrfach deutlich gegen Homophobie und für gleiche Rechte in Europa Position bezogen. Zusammen mit unseren Partnerorganisationen setzen wir uns in Straßburg und Brüssel dafür ein, dass sich diese politische Grundhaltung in allen europäischen Institutionen dauerhaft verstetigt.

Die Grundrechtecharta mit Leben füllen

Trotz vieler Fortschritte sind in der Mehrzahl der EU-Staaten gleiche Rechte noch nicht durchgesetzt. In einigen Mitgliedsstaaten gibt es massive Anfeindungen, die von Teilen der Politik befördert werden. Hiergegen müssen die Europäischen Institutionen stärker vorgehen. Das von der EU formulierte Ziel, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen, muss für alle Menschen und Gruppen Wirklichkeit werden. Dazu gehört auch die europaweite gegenseitige Anerkennung von Eingetragenen Partnerschaften und gleichgeschlechtlichen Ehen. Notwendig sind nachhaltige Programme gegen Homophobie und Minderheitenfeindlichkeit. Auch in ihrer Außen-, Handels- und internationalen Menschenrechtspolitik muss die EU noch stärker die Rolle als Garantin der Grundrechte und Grundfreiheiten einnehmen.

EU-Kommission, der Europäische Rat und das Europäische Parlament sind aufgefordert, die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU auszubauen und zu harmonisieren, damit für alle Diskriminierungsgründe ein gleicher rechtlicher Schutz besteht. Dabei muss für die Diskriminierungsgründe Geschlecht, Behinderung, Alter, Religion oder Weltanschauung sowie sexuelle Ausrichtung ein ähnliches Schutzniveau erreicht werden, wie es in Bezug auf Benachteiligungen aufgrund der ethnischen Herkunft schon besteht. Der LSVD setzt sich dafür ein, dass Deutschland im Europäischen Rat die Durchsetzung gleicher Rechte, die Schaffung eines wirksamen Diskriminierungsschutzes sowie den nachhaltigen Kampf gegen Homophobie aktiv befördert.

Den Europarat gegen Diskriminierung mobilisieren

Europa ist größer als die EU. Mit 47 Mitgliedsstaaten greift der Europarat über die Europäische Union hinaus. Mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof hat der Europarat wichtige Instrumente geschaffen, Grundrechte wie den Schutz des Privatlebens, die Meinungs- oder Versammlungsfreiheit durchzusetzen. Diese Grundrechte sind für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, trans- und intersexuelle Menschen aber in der Realität einiger Mitgliedsstaaten des Europarats längst noch nicht verwirklicht. Wir setzen uns für eine starke Rolle des Europarats bei der Durchsetzung der Menschenrechte ein. Die Bundesregierung ist aufgefordert, sich im Ministerkomitee für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, trans- und intersexuellen Menschen stark zu machen. Das gleiche gilt für die deutschen Vertreterinnen und Vertreter in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats.

10. Die Achtung der Menschenrechte weltweit voranbringen

Es kann uns in Deutschland und in Europa nicht unberührt lassen, wenn in vielen Ländern Menschen wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt werden. In vielen Ländern drohen Schwulen und Lesben Gefängnisstrafen, Folter und mitunter sogar die Todesstrafe. In vielen Fällen schüren religiöse und politische Führer ein Klima des Hasses. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, trans- und intersexuelle Menschen – im internationalen Menschenrechtsdiskurs oft LGBTI abgekürzt (für lesbian, gay, bisexual, transgender and intersexual people) – werden gezwungen, in einem Klima der Angst zu leben. Homophobe Gewalttaten bleiben vielerorts ungeahndet, oftmals sind Polizeikräfte selbst an Übergriffen beteiligt. Das Recht auf persönliche Sicherheit ist für LGBTI in einer Vielzahl von Ländern nicht einmal ansatzweise gewährleistet. Sie brauchen unsere Solidarität und aktive Unterstützung. Deutschland hat aus seiner Geschichte heraus eine besondere Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen an LGBTI entschieden entgegenzutreten.

Verfolgten Schwulen und Lesben Schutz bieten

In ihren Herkunftsländern wegen ihrer Homosexualität verfolgte Lesben und Schwule müssen in der Bundesrepublik politisches Asyl erhalten. Auch das gebietet unsere Geschichte. LGBTI, die aufgrund nichtstaatlicher Verfolgung nach Deutschland flüchten, müssen hier ebenfalls Schutz und Aufenthaltsrecht erhalten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge betreibt dagegen eine äußerst restriktive Politik und verweigert häufig den notwendigen Schutz. Ganz offenbar fehlt den Entscheidern in ihrer Befragungspraxis wie ihrer Lagebeurteilung oftmals jede Sensibilität gegenüber Menschen, die ihr Leben lang gezwungen waren, ihre sexuelle Identität zu verstecken und gegenüber Dritten zu leugnen. Der LSVD kämpft für einen grundlegenden Wandel im Umgang mit Flüchtlingen und Asylsuchenden. Es darf keine Abschiebung in Länder geben, in denen Gefahr für Freiheit, Leib oder Leben droht.

Menschenrechtliche Grundlagen bei den Vereinten Nationen schaffen
Deutschland muss das Thema Menschenrechte und sexuelle Identität innerhalb der Vereinten Nationen offensiv vertreten. Ein Ziel muss es sein, in den UN-Gremien, insbesondere im Menschenrechtsrat und in der UN-Vollversammlung zu klaren Beschlüssen über die Gewährleistung der Menschenrechte für LGBTI zu gelangen. Dafür setzt sich der LSVD mit seinen Partnerorganisationen und als Mitglied der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) ein. 2006 erhielt der LSVD mit Unterstützung der Bundesregierung und der Europäischen Union offiziellen Beraterstatus bei den Vereinten Nationen – gegen starken Widerstand der islamischen Länder, vieler afrikanischer Staaten und von Seiten des Vatikans. Wir kämpfen dort dafür, dass die 2006 von namhaften internationalen Menschenrechtsexpertinnen und -experten entwickelten „Yogyakarta-Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität“ Grundlage der UN-Politik werden.

Alle Möglichkeiten deutscher Außenpolitik nutzen

Die deutsche Außen-, Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik muss gegenüber ihren Dialogpartnern in aller Welt deutlich betonen: Die Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität ist eine schwere Verletzung der universellen Menschenrechte. Die Achtung der Menschenrechte von LGBTI muss ein Kriterium für die Mittelvergabe in der Entwicklungszusammenarbeit werden, insbesondere bei den globalen Budgethilfen für einzelne Staaten. Auch das Instrument der Rechtsstaatsdialoge mit anderen Ländern muss für die Verbesserung der Situation von LGBTI genutzt werden. Die Deutschen Botschaften, die Goethe- Institute, die Deutsche Welle, die parteinahen Stiftungen und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sollten eine aktive Rolle einnehmen, die Situation von LGBTI zu verbessern: durch Informations- und Vernetzungsarbeit und dadurch, dass sie über internationale Aufmerksamkeit zum Schutz von oftmals gefährdeten Menschenrechtsverteidigern und –verteidigerinnen beitragen.

Zivilgesellschaftliches Engagement für die Menschenrechte verstärken

Einsatz für die Menschenrechte ist auch eine zivilgesellschaftliche Aufgabe. Von den vielen tausend in Deutschland registrierten gemeinnützigen Stiftungen engagiert sich nur ein winziger Bruchteil bislang auch für LGBTI-Thematiken. Wir setzen uns dafür ein, dass sich das ändert. Wir wollen aber nicht auf andere warten. 2007 hat der LSVD durch die Gründung der „Hirschfeld-Eddy-Stiftung – Stiftung für die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender“ ein Instrument geschaffen, um die Achtung der Menschenrechte voranzubringen. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, international Menschenrechtsarbeit zu unterstützen, Menschenrechtsverteidigern und –verteidigerinnen aktiv zu helfen sowie Aufklärung und den Abbau von Vorurteilen zu fördern. Denn das gilt für alle Aktivitäten des LSVD: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

 

Beschlossen auf dem 22. LSVD Verbandstag am 10.04.2010 in Berlin.