Der Fall Halil İbrahim Dinçdağ

Nach 1,5 Jahren Vorbereitung darf der türkische Schiedsrichter nach Deutschland einreisen

Der Fall Halil İbrahim Dinçdağ sorgte zu Beginn des Jahres 2009 in der Türkei und über die Grenzen hinaus für großes Aufsehen. Halil İbrahim Dinçdağ ist ein Fußballschiedsrichter, der in der türkischen Presse als homosexuell geoutet wurde und seitdem seinen Beruf nicht mehr ausüben darf. Der Landkreisverband Trabzon schloss ihn kurzerhand aus dem Schiedsrichterwesen aus. Nun kommt Halil İbrahim Dinçdağ am 8. April 2014 auf Einladung von Tennis Borussia Berlin, Roter Stern Leipzig und dem Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) für eine Woche nach Deutschland und berichtet über seine aktuelle Situation und die Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LSBT) in der Türkei. Die Einladung wird gefördert durch die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und unterstützt von Türkiyemspor Berlin sowie dem Berliner Fußball-Verband.

In der Türkei ist es Vorschrift, dass Schiedsrichter keine körperliche Behinderung haben dürfen und ab einem bestimmten Alter Militärdienst geleistet haben müssen. Dinçdağ, der seinen Antritt zum Wehrdienst zunächst aufgeschoben hatte, wurde im Oktober 2008 eingezogen. Nach einem freiwilligen Coming Out wurde er in die Militärmedizinische Akademie Gülhane verlegt und schließlich am 28. Januar 2009 wegen „psychosexueller Störungen“ ausgemustert. Als er danach erneut als Schiedsrichter eingesetzt werden wollte, verlangte der Landkreisverband Trabzon Einsicht in die militärischen Unterlagen. Kurz darauf ließ der türkische Schiedsrichterverband ihn nicht in die nächsthöhere Liga aufsteigen und suspendiert Halil. Der Verband verwies darauf, dass er den Militärdienst nicht abgeleistet habe und dies aus gesundheitlichen Gründen geschah. Sein Antrag auf die Wiederzulassung als Schiedsrichter wurde direkt der Presse zugespielt. Die Titelseiten der türkischen Zeitungen berichteten in den folgenden Tagen über einen homosexuellen Schiedsrichter, später auch mit Erwähnung seines Namens. Halil Dinçdağ hielt seine Homosexualität bis dahin in der Öffentlichkeit geheim, sah sich jedoch auf Grund der Berichte genötigt, im türkischen Fernsehen Stellung zu beziehen.

Halil Dinçdağ lebte bis zum öffentlichen Bekanntwerden seiner Homosexualität in Trabzon am Schwarzen Meer und moderierte lokale Radio- und Fernsehprogramme. Er musste nach Istanbul umziehen, wo die Anonymität der Großstadt ihm etwas Schutz bot, ihn aber auch in tiefe Depressionen warf. Bis heute ist er arbeitslos und wird aufgrund seiner Homosexualität auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Im Jahr 2012 wurden laut der türkischen LSBT-Organisation KAOS GL sechs Trans-Menschen und fünf Homosexuelle ermordet. Es fanden einige Lynchversuche statt, unzählige Gewalttaten blieben im Dunkeln. Homosexuelle und transidente Menschen verlieren sehr schnell ihre Arbeit, wenn sie sich zur ihren Sexualität bekennen.

Vom 8. April 2014 bis zum 13. April 2014 ist Halil İbrahim Dinçdağ in Berlin und Leipzig zu Gast und gibt zusammen mit weiteren Referentinnen und Referenten Hintergrundinfos zu seiner Situation und der anderer LSBT in der Türkei. Die Veranstaltungen sind kostenfrei.

Dienstag, 8. April 2014 – Freundschaftspiel in Berlin
Tennis Borussia Berlin II vs. Türkiyemspor Berlin III
Schiedsrichter der Partie: Halil İbrahim Dinçdağ
Ort und Zeit werden noch bekannt gegeben.
Bitte Infos auf www.tebe.de beachten.

Donnerstag, 10. April 2014 – Vortrag in der Tristeza
„Der Fall Halil İbrahim Dinçdağ und LSBT in der Türkei“
Mit Halil İbrahim Dinçdağ, Hakan Tas (LSBT-Aktivist) und Daniela Wurbs (FSE); Übersetzung: Safter Çinar (TBB)
Pannierstr. 5, 12043 Berlin – 19 Uhr

Freitag, 11. April 2014 – Freundschaftsspiel in Leipzig
Roter Stern Leipzig II vs. Roter Stern Leipzig III
Schiedsrichter der Partie: Halil İbrahim Dinçdağ
Sportpark Dölitz, Bornaische Straße 179, Leipzig – 17 Uhr

Samstag, 12. April 2014 – Vortrag im Fischladen
„Der Fall Halil İbrahim Dinçdağ und LSBT in der Türkei“
Wolfgang-Heinze-Straße 22, Leipzig – 21 Uhr
www.rotersternleipzig.de